Veröffentlichungen

Diverse


Das Erotik Magazin, Nr. 2, 2019




TIERINDIR Magazin, Nr. 2, “Nackt”, 2021

Auszug ---- III-Fluss

Eine Person erscheint, es plätschert im Hintergrund. In der Mitte der Bühne steht kein Boot. 

    PERSON: Ich bin mal ohne Ticket Bahn gefahren. Ich saß wie festgetackert auf meinem Arsch, ernsthaft, ich konnte mich nicht bewegen. Hätte ja noch schnell aufstehen und weglaufen können. Ich hab gesehen, wie die Kontrolleure reinkamen, ich glaube, dem Einen hab ich sogar in die Augen gesehen. Der Bruder einer Bekannten ist Bulle. Die hat mir mal erzählt, dass die Leute auffallen, die in der Bahnhofshalle nach der Uhrzeit fragen, um von sich abzulenken. Dann besonders offensiv auf die Bullen zulaufen und fragen, wie spät es ist. 

Der Wecker der Person klingelt, Person greift in die Hosentasche, schaltet Wecker aus.

    PERSON: Ich wollte gar nicht ablenken. Hatte halt einfach kein Ticket, ja.. was soll ich denn machen? Keine Ahnung man, ich bin pleite. Kaufe mir jetzt nicht für drei Stationen eine Fahrkarte. 

Stimme einer Person ertönt: “Sie müssen jetzt hier mit uns aussteigen.”

    PERSON: Das Ding ist, ich darf hier nicht mal sitzen. Musste dir mal überlegen. Ich darf doch sitzen, wo ich will! Wenn ich jetzt auf dem Dach dieses Zuges wär, dürfte ich dann kostenlos mitfahren? Geht’s um diesen gepolsterten Platz, der für mich gebaut wurde? Und für Leute wie mich?

Stimme einer Person: “So, Aussteigen jetzt, es reicht.” 

   PERSON: Achso. Nee, sorry, da hab ich Sie falsch verstanden. Eben nicht für Leute wie mich. 

Person pausiert kurz.

    PERSON: Menschen bauen ne Stadt so groß wie ein Ozean. Wenn du keine Kohle hast, kannst du dir nicht mal die Stadt ansehen, in der du lebst. Musst erst Geld haben, um zu schwimmen. Wem gehört denn das Wasser, überleg mal!

Stimme einer Person, jetzt viel lauter, fast schreiend: “Sie steigen jetzt sofort aus oder wir rufen die Polizei!” Kurz Stille dann: Geräusche von angestrengter körperlicher Betätigung, Handgemenge. Danach wieder Stille.

    PERSON: Ich fühl mich deshalb ganz wohl im Wasser. Wie ein kleines verlorenes Objekt fließ ich vorbei an deiner Stadt, deinem Land, deiner Sicht. Im Wasser kann man ja manchmal zwischen den Fischen gar nicht unterscheiden. Gegen den Strom, mit dem Strom, was macht das für einen Unterschied. Als ich in das Wasser gesprungen bin, um von all dem hier zu entkommen, hab ich gesehen: Da trieben tote Fische neben mir. Aber das sah von weitem keiner mehr. Die Toten sahen aus wie die Lebenden, waren die Lebenden. Ich wollte einfach weg von Euch. Wusste auch niemand mehr, dass ich mal hier war. 

Person legt sich langsam hin.

    PERSON: Der Bruder meiner Bekannten, der Bulle, hat dann die Leute, nachdem sie nach der Uhrzeit gefragt haben, aufgefordert, sichaufgefordert sich auszuweisen. Meinte, ganz viele hättenhätte keine Papiere gehabt. Da stehen sie also, die Beamten, und wissen: “Es ist nicht normal, dass ihr mit uns redet. Normal wäre, wenn ihr rennt. Weil ihr so ausseht, wie ihr ausseht, und ihr wisst, dass uns das nicht passt.”

Person redet weiter, wird leiser. Rauschen wird lauter.

    PERSON: Heißt, ob du rennst oder redest, du bist einfach immer angearscht. 

Person dreht sich auf den Bauch.

    PERSON: Und im Wasser unten ist es so schön dunkel, da sieht dich keiner. Da denkt man fest, dich gibt’s nicht. 

Wecker klingelt.